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Drei Maler und die Provence: van Gogh, Gauguin, Cézanne

Artikel von Josef Smets, Montpellier:

Vincent van Gogh ist wohl der berühmteste Maler schlechthin. Unzählige Bücher und Filme sind seinem Leben gewidmet. Seine Bilder führen in der Hitliste der teuersten Gemälde der Welt. Es ist schon verrückt, denn zu seinen Lebzeiten hat sich niemand für sein Werk interessiert. Nur gerade ein Bild ist ihm abgekauft worden. Und nur dank seinem jüngerem Bruder Theo van Gogh (1857-1891) sind seine Gemälde zu uns gelangt - als Vincent in Arles lebte, schickte er alle Werke zu seinem Bruder nach Paris, wo dieser in einer Kunsthandlung arbeitete und dort Vincents Werke ausstellte, wenn auch ohne Erfolg. Seine künstlerische Hinterlassenschaft besteht aus 864 Gemälden, 1037 Zeichnungen, 150 Aquarellen, 10 grafischen Werken und 133 Skizzen in Briefen. Allerdings ist man besonders bei den Gemälden nicht sicher, wieviele davon als Fälschungen auf den posthum explodierenden Kunstmarkt gelangt sind. Die unglaublich hohen Preise der van Gogh Bilder in den letzten Jahrzehnten haben eine wahre Interessen-Schlacht unter den so genannten Spezialisten, Museen und allen privaten Besitzern von Vincent's (echten oder falschen) Werken ausgelöst. Man stelle sich nur einmal vor: das Bild mit den Lilien, die ein japanischer Multi-Millionär damals für 75 Millionen Dollar ersteigert hatte, sei eine Fälschung! Einige van Gogh Spezialisten schließen diese Hypothese nicht aus, da ein zweites Gemälde nachweislich existiert. Aber welches der beiden ist nun echt?

Vincent van Goghs Leben war leider von kurzer Dauer. Er wurde am 30.3.1853 in Groot-Zundert bei Breda geboren und starb am 29.7.1890 in Auvers-sur-Oise (Frankreich) einige Tage nach einem Selbstmordversuch. Er war der älteste Sohn eines Pfarrers und wurde 1869 zunächst Kunsthandlungsgehilfe bei Goupil & Cie in Den Haag. Nach einem Aufenthalt in London (Mai 1873 - Oktober 1874) versuchte er sich als Laienprediger bei den Grubenarbeitern der Borinage in Belgien (1879-1880). 1880 ging er nach Brüssel und studierte an der Kunstakademie anatomisches und perspektivisches Zeichnen. Er kopierte, wie es üblich war, die Werke anderer, und zwar jene von Jean-François Millet und lernte den Maler Rappard kennen. 1882 frequentierte er in Den Haag die Prostituierte Sein. Nachdem er sich von ihr getrennt hatte, zog er wieder zu seinen Eltern zurück, die ihm ein Atelier einrichteten.

In jener Zeit begann er in schweren, dunklen Farben und herben Zeichnungen das Leben der Bauern und Weber zu schildern. Das Bild "Die Kartoffelesser" gilt als das Hauptwerk dieser Periode. Nachdem der örtliche Pfarrer den Bauern verboten hatte, für Vincent Modell zu stehen, zog er nach Antwerpen, wo er für kurze Zeit die Kunsthochschule besuchte. Zwischenzeitlich hatte sein Bruder Theo in Paris in der Kunsthandlung Goupil seine Arbeit aufgenommen und schickte seitdem einen Teil seines Monatslohnes seinem Bruder Vincent bis zu dessen Lebensende zu. Im März 1886 übersiedelte Vincent zu seinem Bruder Theo, wo er u.a. Toulouse-Lautrec und Gauguin sowie die farbintensive Malerei der Impressionisten kennenlernte, ohne sie jedoch zu kopieren. Sein Umzug nach Arles in der Provence im Februar 1888, womöglich auf Anraten Toulouse-Lautrecs, leitete eine neue und überhaupt die intensivste Schaffensperiode des Künstlers ein. In diesen letzten zwei Jahren seines Lebens entstanden die berühmtesten Werke seines Schaffens. Hier in dem mediterranen Arles träumte er davon, eine Künstlergemeinde zu gründen, die der traditionellen Malerei den Rücken kehren würde. Für diesen Plan mietete er im Mai 1888 den rechten Flügel des gelben Hauses. Als erster schloß sich ihm der dänische Maler Christian Mourier-Petersen (1858-1945) an. Danach besuchte ihn auch der amerikanische Maler Dodge MacKnight (1860-1950). Nach einem langen Briefwechsel kam schließlich Paul Gauguin im Oktober 1889 nach Arles, jedoch aufgrund einer Abmachung mit Theo van Gogh. Theo hatte ihm angeboten, eine Ausstellung mit seinen Werken zu veranstalten; als Gegenleistung sollte Gauguin Vincents Wunsch einer Künstlergemeinschaft verwirklichen helfen, wenn auch nur für eine gewisse Zeitspanne. Die Beziehungen zwischen den beiden Malern verschlechterten sich schnell, es kam zu Diskussionen, die Vincent in einem Brief an Theo als "übertriebene Spannungen" bezeichnete. Nach Gauguins Bericht ging Vincent am 23. Dezember mit einem Rasiermesser auf ihn los, woraufhin Gauguin in einem Gasthof übernachtete. In dieser Nacht erlitt Vincent einen Anfall geistiger Umnachtung, schnitt sich den unteren Teil des linken Ohres ab und brachte es als "Geschenk" ins Bordell. Gauguin reiste am folgenden Tag überstürzt ab. Als Ursachen für Vincents Anfall werden Epilepsie, Trunksucht und Schizophrenie vermutet. In jenen Tagen malte Vincent von sich mehrere Porträts, die wohl jeder kennt. Das Bild mit dem leeren Stuhl in seinem Zimmer stellt die Abwesenheit Paul Gauguins dar. Vincent van Gogh's physische und psychische Gesundheit war offensichtlich angeschlagen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Siechenhaus Arles' kehrte er wieder ins gelbe Haus zurück. Aber dreißig Bürger von Arles, die sich "Anthropophagen" (Menschenfresser) nannten, erwirkten durch eine Petition an den Bürgermeister, dass Vincent im Februar 1889 erneut im Krankenhaus interniert wurde. Vincent nannte man "foux roux", den "rothaarigen Verrückten". Da Vincent an Schlaflosigkeit und an Halluzinationen litt und sich einbildete, dass man ihn vergiften wollte, ging er im Mai 1889 auf eigenem Wunsch in das Asyl für Geisteskranke Saint-Paul-de-Mausole bei St. Rémy de Provence, in dem er über ein Jahr verweilte, von Mai 1889 bis Mai 1890. Seine Schaffenskraft wurde dadurch keineswegs gemindert. Vincent van Gogh malte fieberhaft und unbeirrt weiter. Auf dem "Salon des Indépendants" in Paris wurden sogar zwei seiner Bilder ausgestellt: "Sternennacht über der Rhône" und "Iris". Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr, so dass er im Mai 1890 im Einverständnis mit seinem Bruder Theo nach Auvers-sur-Oise nördlich von Paris zog, wo er noch über achtzig Gemälde schuf, darunter die "Kirche von Auvers". Vincent van Gogh wurde der Pflege des Arztes Paul Gachet in Auvers anvertraut, wo er sich womöglich in dessen Tochter verliebte. Vielleicht war das dem Dr. Gachet nicht so genehm, denn als Vincent van Gogh am 27. Juli die Pistole gegen seine Brust hielt und sich dabei lebensgefährlich verwundete, scheint dieser Dr. Gachet nicht alle notwendigen medizinischen Hilfen unternommen zu haben. So starb Vincent van Gogh elendig nach zweitägigen Qualen in den Morgenstunden des 29. Juli im Beisein von Theo, der seine letzten Worte festhielt: "Ich wünsche, ich könnte so sterben". Vincent wurde in Auvers begraben. Sein Bruder Theo, der an chronischem Husten litt, folgte ihm schon sechs Monate später, so als wäre  sein eigener Lebenssinn mit dem Tod Vincents erloschen gewesen. Er starb am 25.1.1891 in Utrecht, wo er zur Pflege angereist war. Erst 1914 wurde sein Sarg nach Auvers-sur-Oise umgebettet. Seitdem liegen beide Brüder Seite an Seite in stiller und ewiger Eintracht. Auf schlichten Grabsteinen kann man lesen: "Ici repose VINCENT van GOGH, 1853 - 1890" und "Ici repose THEODORE van GOGH, 1857 - 1891".

 

Der Nachimpressionist Paul Cezanne gehörte zu den entscheidenden Wegbereitern der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Der am 19. Januar 1839 in Aix-en-Provence geborene Maler ging nach einem kurzen Jurastudium 1861 nach Paris, wo er aber die Aufnahmeprüfung für die Akademie der Schönen Künste nicht bestand. In den sich anschließenden Zeichenkursen der Académie Suisse, in denen er seine Zeichentechnik weiter verfeinerte, lernte er den neun Jahre älteren Camille Pissarro kennen, der ihn in den Kreis der Impressionisten einführte.Der menschenscheue Einzelgänger, der Zeit seines Lebens finanziell von seinem Vater, einem Bankier, abhängig blieb, starb am 22. Oktober 1906 an einer Lungenentzündung in Aix-en-Province. Cézanne, dem zu Lebzeiten die breite Anerkennung der Kunstszene und Kritiker versagt blieb, schuf eine völlig neue Bildordnung und -sprache, die ihn zum möglicherweise wichtigsten Vorläufer des Expressionismus und Kubismus werden ließ.  

Paul Gauguin (Paris, 07.06.1848 - 08.05.1903) reiste im Jahr 1891 zum ersten Mal in die Südsee. Seine außerordentlichen Bilder und Skulpturen jener ersten Tahiti-Reise von 1891 bis 1893 machen sichtbar, warum Gauguin mit Paul Cézanne und Vincent van Gogh zu den Vätern der modernen Kunst zählt. Wie Cezanne und van Gogh versuchte er die formauflösende Kunst des Impressionismus zu überwinden. Landschaftsbilder und Stillleben der Bretagne aus seiner vorhergehenden künstlerischen Entwicklungsphase markierten den Aufbruch zu dieser Lebensreise, auf der Paul Gauguin die Wurzeln seiner künstlerischen Ansdruckskraft suchte. Nach einem Wanderleben, das ihn in die Bretagne, nach Martinique und zu Vincent van Gogh nach Arles führte, fand er auf Tahiti eine Welt, in der exotischer Traum und koloniale Wirklichkeit hart aufeinanderstießen. Seine leuchtenden, kraftvollen Bilder aus dem letzten, von eindrucksvollen schöpferischen Impulsen und tiefer Einsamkeit geprägten Lebensjahrzehnt sind zum symbolischen Inbegriff dieser inzwischen untergegangenen Welt geworden. Er starb am 8. Mai 1903 auf seiner zweiten Tahiti-Reise von 1901 bis 1903 in Atuona auf den Marquesas-Inseln im Alter von 54 Jahren.

Georges Brassens, ein Troubadour unserer Zeit

Anders als die Deutschen hatten die Franzosen schon immer ein äußerst herzliches, nahezu intimes Verhältnis zu ihren Literaten, Dichtern und Sängern. Selbst unzählige, bescheidene Menschen aus dem Volk sind durchaus in der Lage, die großen Texte der französischen Literatur daherzusagen; dies ist nicht „Voltaires Schuld“(ça n'est pas la faute à Voltaire), sondern dem Fleiß der „republikanischen Priester“, sprich: den stolzen und patriotischen Volksschullehrern zu verdanken. Besonders populär ist vor allem ein Dichter und Sänger, dessen Lieder und Texte fast jedem  Franzosen geläufig sind: Georges Brassens. Als er starb, trauerte die ganze Nation. Das erinnerte mich an die stille Trauer, die die französischen Großväter  zutage legten, als sie "Victor Hugo"  (1802 - 1885) im Jahre 1885 zu hunderttausenden in Paris das letzte Geleit gaben. Daraus ist damals ein Artikel entstanden, der in einer deutschen Zeitung 1981 erschien.

Ein Troubadour unserer Zeit: zum Tode des französischen Chansonniers Georges Brassens

Samstag, den 31. Oktober 1981, acht Uhr morgens auf dem ehemaligen Armenfriedhof von Sète-Centre, dem „Cimetière des Pies“. Die herbstliche Morgenfrische weicht allmählich der Wärme der aufsteigenden Sonne am südfranzösischen Himmel. Eine kleine Menschenmenge schaut zu, wie ein schlichter Sarg in eine Familiengruft hineingehoben wird. Keine lange Ansprachen, kein Priester, kein Gebet, keine Blumen und keine Kränze. In fünf Minuten ist alles vorbei. Auf der Gruftplatte steht: Famille Brassens-Dagrosa.

Georges Brassens wurde seinem Wunsch gemäß auf diesem einfachen Friedhof beigesetzt und nicht, wie zum Beispiel sein großer Dichter-Kollege Paul Valèry (1871 - 1945), auf dem noblen Friedhof St. Clair, dem „Cimetière Marin“, von wo die Toten einen grandiosen Blick aufs Mittelmeer für die Ewigkeit genießen. Diese Ehre wollte er sich nicht antun, wie er bereits in seinem berühmten Testament schrieb: dem Lied „Bittschrift, um auf dem Strand von Sète beerdigt zu werden“

Georges Brassens ist aus dem Leben gegangen in der Art, in der er von der Bühne zu gehen pflegte – schnell und ohne viel Aufhebens, gleich seinem „Pauvre Martin“ im gleichnamigen Lied, der auch schnell machte, „indem er sich versteckte und sich wortlos flachlegte. Um ja nicht die Leute zu stören“.

Es ist schon sonderbar: Ähnlich wie sein jüngerer, ebenso beliebter Freund und Kollege Jacques Brel, der auf den Îles Marquises 49jährig im Jahre 1978 an Krebs starb, zog sich auch Georges Brassens in diesem Sommer endgültig nach Sète (und St. Gély du Fesc) zurück, um auf den unvermeidlichen Tod zu warten, gepeinigt von einem Krebsleiden. Der Tod, eines der Hauptthemen seiner Dichtung, ereilte ihn als 60jährigen, ein Alter, in dem er den Franzosen noch viel in seiner unvergleichlichen Art zu sagen hatte.

Wie soll man diesen Mann vorstellen, der immer Außenseiter im französischen Kulturleben geblieben ist? Er wurde am 22. Oktober 1921 in Sète geboren und war folglich zunächst einmal Südfranzose, und zwar mit dem entsprechenden Akzent, den er auch selbstbewusst in seinen Liedern beibehielt. Im Februar 1940 zieht er nach Paris und arbeitet als Dreher bei Renault. Zur gleichen Zeit wird er Mitglied in der „Fédération Anarchiste“. Im September 1940, kurz nach der Besetzung Paris’ durch die deutsche Wehrmacht, veröffentlicht er seinen ersten Gedichtband „A la Venvole“. Das Jahr 1943 verbringt er als Zwangsarbeiter in Deutschland, aus dem er 1944 flieht, um sich bei Freunden in Paris zu verstecken. Dies sind Marcel und Jeanne Blanche. Jeanne wurde außerdem später in den Liedern „La Cane de Jeanne“ (Die Ente von Jeanne) und „Chez Jeanne“ (Bei Jeanne) beschrieben als Archetypus für Großzügigkeit und Toleranz, da sie ihn über viele Monate beherbergten.

Die Karriere von Georges Brassens beginnt im Jahre 1952, als der Sänger Jacques Grelle ihn entdeckt und ihn Patachou vorstellt, der damals eine Kneipe in Paris hat. Georges Brassens wird gleich berühmt und vom Publikum geliebt, gerade wegen seines ungewöhnlichen Gesanges, wegen der bewussten Verwendung „unsauberer“ Wörter, wegen seiner mittelalterlich anmutenden Texte und schließlich wegen der Wahl seiner Tghemen, de er während seines ganzen Lebens nicht ändern wird. „La mauvaise réputation“ (Der schlechte Ruf) und „Le Gorille“ (Der Gorilla) eröffnen seine ungewöhnliche Karriere. Auf sie folgen viele andere, ebenso populäre Lieder.

Georges Brassens schieb insgesamt 140 Lieder, die er regelmäßig im Kulturtempel Frankreichs, dem Pariser „Olympia“, vortrug. Um sech dem Rampenlicht des Showbusiness nicht allzu sehr auszusetzen, zog er es jedoch vor, in kleineren Theatern, vor allem im „Bobino“ zu singen, in dem er auch zum letzten Mal von Oktober 1796 bis März 1977 auftrat. Zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt mehr als 20 Millionen Langspielplatten von ihm verkauft. Ehrungen erhielt er von Seiten der noblen Institution der Académie Française. Sie verlieh dem Dichter und Komponisten Georges Brassens den Großen Preis für Dichtung im Jahre 1967. Schon zu seinen Lebzeiten erfuhr sein Werk Beachtung in Form von Dissertationen und literaturwissenschaftlichen Arbeiten. Viele seiner Gedichte findet man in den Schulbüchern – ebenso wie jene Jacques Brels oder Jacques Préverts (1900 – 1977). Das ist halt Frankreichs Art, seine Künstler sehr früh zu würdigen.

Dennoch geht die Wertschätzung seines Schaffens viel weiter. Er beeinflusste die nachfolgende Sänger- und Dichtergenerationen (auch Franz-Josef Degenhard in der Bundesrepublick), obwohl sie nicht in seinem unvergleichlichen Stil fortfuhren. Mitte der 60er Jahre verhalf er der Sängerin Barbara zum Ruhm. 1972 stellt er den jungen Maxime Le Forestier in seinem Programm vor. Dies ist halt französische Sitte, nach der junge Künstler von den Großen in den Sattel gehoben werden.

Trotz seines Ruhmes blieb Georges immer einfach und diskret. Die Themen seiner Lieder nehmen für sich nicht in Anspruch, weltbewegend zu sein, sondern zielen auf alle Bereiche des alltäglichen und intimen Lebens des Menschen. Dabei bedient er sich sämtlicher Stilmittel (Ironie, Spott, Melancholie, usw.) und feingeschmiedeter Wortspiele, die selbst einem achtsamen Franzosen leicht entgehen können. Folglich darf laut Brassens die Musik nur den Texten dienen, weshalb sie in den Liedern des Dichters wiederum äußerst kompliziert wird und sicherlich manchem jungen Sänger, der Brassens-Lieder interpretieren wollte, einige Mühe bereitet hat. Und dann: Welch ein sprachlicher Reichtum in seinen Texten, die jeden Zuhörer ins seinen Bann ziehen! Er bedient sich häufig veralteter, nahezu verschwundener Wörter aus dem Französischen oder aus der bisher von der Literatur verschmähten Gaunersprache, dem Argot. Somit steht er in der Reihe der in ihrer Zeit ungeliebten Meister François Villon (1431/32 – 1463?) oder Paul Léautaud (1872 – 1956). Auch die Art seines Gesanges ist unnachahmlich. Seine raue Stimme hat Schwierigkeiten, die verschiedenen Tonlagen einzuhalten. Schließlich erlaubt er sich noch – entgegen sämtlicher Harmoniegrundsätze der schönen alten französischen Dichtkunst -, Wörter in den Texten auseinander zu reißen und auf bisher unbedeutende Silben den Hauptakzent zu legen. Ob er die Liebe unter allen Gesichtspunkten und Positionen beschreibt oder den tief sitzenden französischen Militarismus (Napoleon lässt grüßen!) verspottet („La Guerre de 14/18“) – immer legt er die Hand auf den wunden Punkt französischer Vorurteile, Mythen und Tabus.

Mit dem Tod von Georges Brassens erlischt gleichfalls eine einzigartige Gattung einer Lieddichtung, die häufig an jene der reichhaltigen südfranzösischen Troubadour-Lyrik des 12 Jahrhunderts erinnert. Dieser moderne Troubadour griff die damals entwickelte kunstreiche Verbindung zwischen Texte und Musik wieder auf und brachte sie im 20. Jahrhundert erneut auf den höchsten künstlerischen Stand. Wohl nicht zuletzt wegen der äußersten Perfektion seiner Dicht- und Liedform fand Georges Brassens keine Nachahmer, nur Bewunderer. Dabei war es niemals Bewunderung, die dieser stets bescheidene Sänger in seinem Leben bei seinen Mitmenschen gesucht hat.

Dr., Dr.c.e. Josef Smets, Montpellier